Ganz im Geiste der Ökumene (Neu-Ulmer Zeitung NUZ, 23.09.2003)

Nersingen: Katholische Gemeinde schenkt evangelischer Gemeinde alte Glocke

Ökumene im besten Sinne wurde am Sonntag in Nersingen praktiziert: Protestanten und Katholiken feierten gemeinsam ein großes Fest.
Im Mittelpunkt stand eine 460 Kilogramm schwere und 444 Jahre alte Glocke.
Sie wurde im Rahmen eines farbenprächtigen Zuges an ihren ursprünglichen Platz in der St. Nikolauskirche gebracht.
Zuvor unterschrieben der evangelische Pfarrer Christian Fait und sein katholischer Amtsbruder Georg Leonhard Bühler eine Schenkungsurkunde über die Glocke.

Die Glocke hat eine lange Odyssee hinter sich. Am Sonntag wurde sie nun wieder an ihren ursprünglichen Platz in der St. Nikolauskirche gebracht, nachdem die katholische Kirchenverwaltung Anfang des Jahres beschlossen hatte, die Glocke den evangelischen Christen zu schenken.

Viele freiwillige Helfer
Gottesdienste in den katholischen und evangelischen Kirchen bildeten das Rahmenprogramm des Festes, für das Pfarrer Georg Leonhard Bühler und sein evangelischer Kollege Christian Fait verantwortlich zeichneten. Doch auch zahlreiche freiwillige Helfer legten Hand mit an, damit nicht nur der Umzug mit den Fahnenabordnungen der Vereine, den Kindergarten- und Grundschulkindern, Honoratioren sowie der Trachtenkapelle Nersingen bestens klappte, sondern auch das Fest beim evangelischen Gemeindezentrum.
Gut im Griff hatte auch Landwirt Franz Hartmann seine zwei Haflinger, die die wertvolle Glocke durch den Ort transportierten.
Wie mehrfach berichtet, hat die Glocke, deren Glockenkranz noch für rund 10000 Euro restauriert werden soll, damit sie im Turm der evangelischen Nikolauskirche zusammen mit der Josefsglocke läuten kann, eine wahre Odyssee hinter sich. Die alte Nikolauskirche, die im 12. Jahrhundert erbaut worden war, wurde im Markgrafenkrieg von 1552 zerstört.
Für die Nachfolgerkirche wurde 1559 besagte Glocke gegossen, rund 400 Jahre versah sie in dem Gotteshaus ihren Dienst.

In den 50er Jahre wurde die Nikolauskirche von der Pfarrei St. Dionysius Oberfahlheim (zu ihr gehörte die katholische Gemeinde in Nersingen) an die evangelische Kirchengemeinde Steinheim verkauft - für einen „Abbruchpreis“ von 12000 Mark. Darüber, was in der Folge mit der Glocke geschah, gibt es zwei Versionen.
Die eine besagt, dass sie bereits während des Zweiten Weltkrieges abgenommen worden ist; die andere will wissen, dass zwar die Kirche, aber nicht die Glocke verkauft worden war.

Wie auch immer: 1958, als die neue St. Ulrichskirche eingeweiht wurde, hing auch die Glocke kurzfristig im Turm. Danach verschwand sie spurlos in der Versenkung.
Knappe 44 Jahre lang war sie von der Welt vergessen, bis sie Pfarrer Bühler voriges Jahr im Erker des Glockenturms wieder entdeckte und sie aus „dem Dornröschenschlaf“ weckte, wie Pfarrer Bühler im festgottesdienst an die seinerzeitige Schlagzeile der NUZ erinnerte. Anfang des Jahres schließlich beschloss die katholische Kirchenverwaltung, den evangelischen Christen die Glocke zu schenken.

Nun werden Spenden gesammelt, um die notwendige Restauration durchführen zu können, machte Pfarrer Fait während der Feier in der evangelischen Kirche, die vom Gospelchor „more & more“ gestaltet wurde, deutlich.


Von der "Glockenheimkehr" gibt es einen Film auf DVD.
Nähere Informationen hierzu im Pfarrbüro.